Ein Generationen-Gespräch über digitale Arbeitsplätze von heute und morgen
Geschlechterkampf war gestern – heute treffen in Unternehmen Generationen aufeinander. Die einen stehen seit Jahrzehnten im Berufsleben und würden vielleicht noch so etwas sagen wie: „Das habe ich von der Pike auf gelernt“. Die anderen sind Digital Natives, die nach 1995 geboren sind und Lebensläufe haben, in denen die Menge an Qualifikationen scheinbar nicht zum Lebensalter passt. Der Gap zwischen ihnen wird größer, je mehr wir digital aufrüsten und tradierte Prozesse und Konventionen in den digitalen Raum verlegen. Die einen fühlen sich überfordert mit Tempo und Tools, die anderen können sich vor Begeisterung über die vielen leuchtenden Icons in ihrer Toolbar kaum entscheiden, welches sie zuerst ausprobieren. Eine kulturelle Frage, die schnell zum Show Stopper werden kann, wenn man den Digital Workplace als reines Technik-Thema begreift und den Mitarbeitenden unbegleitet auf den virtuellen Schreibtisch legt.
Wir haben zwei Kontrahenten in den virtuellen Ring gebeten und das Thema Digital Workplace in die Mitte gelegt. Nennen wir sie Olaf und Lisa – Olaf arbeitet seit 20 Jahren in einem Unternehmen, das seit Beginn der Pandemie komplett digital arbeitet. Lisa ist Digital Native und seit einem Jahr in einer Agentur tätig. Dazu kommt Jens, unser MPC-Experte zum Thema, der das Ganze aus dem Off kommentiert und Lösungen aufzeigt, um den Digital Workplace zum Erfolg zu machen.
Olaf: Ich möchte es wirklich verstehen, Lisa. Was ist toll an der digitalen Zusammenarbeit?
Lisa: „Toll“ ist für mich erstmal zweitrangig. Im Moment ist es mehr als notwendig, dass wir uns dieses Themas annehmen und Betriebe darin unterstützen, einen Digital Workplace zum positiven Erlebnis zu machen. Ein Jahr digitales Arbeiten in den Unternehmen hat gezeigt, dass es Handlungsbedarf gibt. Hätten wir das Thema vor einem Jahr aufgemacht, wären die Verantwortlichen in den Unternehmen vielleicht noch gar nicht zur Auseinandersetzung bereit gewesen, eben weil noch viel face-to-face möglich war. Ein Digital Workplace war eine Option, aber keine Notwendigkeit. Jetzt ist jeder Einzelne fast schon gezwungen, sich einen sicheren und guten Umgang im digitalen Raum zu erarbeiten.
Jens: Sehr richtig: Auch wenn face-to-face wieder möglich ist, wird ein Großteil unserer Arbeit dauerhaft digital stattfinden. Es gibt keinen Weg zurück. Das Stichwort „positives Erlebnis“ ist sehr wichtig. Das kann nur entstehen, wenn die Mitarbeitenden mit all den unterschiedlichen Anforderungen an den Digital Workplace mitgenommen werden.
Olaf: Freut mich für Euch, dass es hier viel Arbeit gibt. Für mich heißt es, dass die Probleme in Abteilungen, Einheiten und ganzen Unternehmen immer größer werden. Alle Defizite in Prozessen, Strukturen und Abläufen werden noch deutlicher. Ich muss mir nur die vielen Aktivitäten, Chats und Teams in unserem Kollaborations-Tool anschauen, die meine Reaktion verlangen – ungelesene Nachrichten stressen mich schon an meinem Handy – und das soll ich nun zusätzlich von 9 bis 17 Uhr gut finden?
Lisa: Ja, da gebe ich Dir recht. Unsere jetzige Arbeitsweise wirkt wie ein Brennglas. Wenn wir in unserem Tool ein Durcheinander feststellen, dann gab es das auch schon vorher.
Jens: Das Durcheinander ist die Chance, unsere Prozesse und unsere Kultur neu aufzusetzen. Chaos in der Datenablage, uneinheitliches Vorgehen, mangelnde Kommunikation, zu wenig Regeln und Commitment. Um künftig reibungslos über digitale Tools zu kommunizieren und zu arbeiten, müssen wir die Schwachstellen offenlegen und angehen.
Olaf: Das klingt für mich fast wie eine Drohung. Ihr müsst als Berater*innen natürlich auf Gelegenheiten und Potenziale hinweisen. Ich sehe keine Chance in der Tatsache, dass wir null Kommunikationsgrenzen mehr haben. Jemand entdeckt irgendetwas im Netz und teilt dies. Ob das für mich relevant ist, weiß ich erst, wenn ich es gelesen habe. Wenn es vom Chef oder der Chefin kommt, fühle ich mich sogar verpflichtet, darauf zu reagieren.
Lisa: Du bekommst die Chance, Deinen Wissenshorizont zu erweitern. Aber ich gebe Dir recht, dass es aktuell noch zu wenig Filterfunktionen gibt. Wie kann ich Themen in den Fokus stellen, mit denen ich mich aktiv befassen will? Das könnten Schlagwörter oder Themenfilter sein. Aber anderseits finde ich es auch gut, dass sich auf diese Weise Themen für mich öffnen, die ich vorher vielleicht gar nicht interessant fand oder auf die ich sonst nicht aufmerksam geworden wäre. Ich verstehe, dass Druck entsteht alles zu lesen und bei allem up to date zu sein. Auch wenn ich nicht direkt adressiert werde, entsteht eine Erwartung.
Jens: Auch hier braucht es Regeln. Wie kommunizieren wir, wie und wo sorgen wir für Wissenstransfer und Weiterbildung? Gleichzeitig muss auch jeder selbst lernen, sich und anderen Grenzen zu setzen. Noch ist die KI nicht so weit, dass Tools durch unser Verhalten lernen und nur die relevanten Themen für uns herausfiltern. Trotzdem müssen wir jetzt schon mit dem arbeiten, was heute geht. Denn die Themenflut läuft jetzt auf. Eine weitere Aufgabe für die Interne Kommunikation ergibt sich: Schauen Sie gemeinsam mit der Technik auf Ihre Tools: welche Analysemöglichkeiten gibt es, die DSGOV-konform sind und keine Leistungskontrolle erlauben? Arbeiten Sie damit und optimieren damit Ihre Produkte und die Relevanz für die Mitarbeitenden.
Olaf: Genau – und das ist gleich das nächste Thema. Das geht nur, wenn ich sehr sicher und souverän in meinem Tool unterwegs bin. Unser Chef geht aber nicht davon aus, dass dies Teil unserer Arbeit ist. Aber ich will mich in meinem Feierabend nicht damit beschäftigen, wie ich mein Arbeitsmittel besser verstehe oder noch virtuoser damit umgehen kann. Genauso anstrengend finde ich es, wenn Kolleg*innen unkontrolliert Tipps und Tricks teilen, statt „lean“ und effizienter zu werden. Das ist paradox.
Lisa: Das ist ein guter Aspekt: „lean“ gilt nicht nur für Produktionsschritte, sondern auch in der Kommunikation. Ein wichtiges Stichwort ist für mich die Sinnhaftigkeit – also nicht nur Effizienz und Effektivität. Wir sollten uns in regelmäßigen Abständen reflektieren. Stimmt unser Umgang miteinander noch? Passt das Format? Ist es noch zeitgemäß? Spricht es weiter die richtige Zielgruppe an? Fühlen sich alle abgeholt? Das ist für mich „lean“ in diesem Kontext. Und ich glaube, dass diese Reflexion im Digitalen noch besser funktioniert, weil wir uns bewusst für Formate und Themen zusammenschalten und nicht im Flurfunk diskutieren.
Jens: Auf den Prozess schauen und klären, ob dieser noch sinnvoll ist und zum Ziel führt. Diese Aufgabe kann und sollte die IK übernehmen und damit das gesamte Unternehmen auf dem Weg zum Digital Workplace begleiten.
Olaf: Das nehme ich Dir sogar ab – trotzdem servierst Du mir direkt das nächste Thema: In meiner Wahrnehmung hocken viel zu oft 20 Leute auf einem Haufen und kommen zu gar keinem Ergebnis mehr. Um alles aber noch „besser“ zu machen, kommt ein Tool nach dem nächsten hinzu: Mural, Miro, was auch immer. Und wie läuft es? Schleppend, weil die Nutzer überfordert sind.
Lisa: Im Moment gibt es eben sehr viele Möglichkeiten und wir denken, dass wir viele davon nutzen müssen. Nicht alles schmeckt jedem, das wird sich auch nicht ändern. Was wir aber beachten müssen, ist unser Ziel und damit verbunden die Frage, ob das Tool darauf einzahlt. Wenn man sich auf eines einigt ist es wichtig, alle abzuholen und gleich fit zu machen. Qualität kommt hier auf jeden Fall vor Quantität.
Olaf: Aber wir gehen auf Masse: Wir öffnen Gruppenchats und posten darin, dass das Kind krank ist oder man selbst, beglückwünschen kollektiv zum Geburtstag und Du kannst sicher sein, dass Du 20-mal „Gute Besserung“ und „Herzlichen Glückwunsch“ liest. Mich setzt das unter Druck, denn ich bin es nicht gewohnt, mich auf eine Bühne zu stellen und 30 Leuten Happy Birthday zuzurufen. Entweder mache ich das bilateral oder gar nicht. Ich will aber auch nicht als derjenige wahrgenommen werden, der immer außen vor bleibt.
Lisa: Das hat auch was mit meiner Generation zu tun. Wir sind es gewohnt, mal eben schnell über die Chat-Funktion zu kommunizieren, mal eben schnell etwas über den Zaun zu werfen. Da fehlt vielleicht die Anrede und Groß- und Kleinschreibung werden ignoriert, weil dies eben ein informeller Austausch ist. Wenn wir aber Gruppenchats haben, in denen gemeinschaftlich kommuniziert wird, da kann ich beide Seiten verstehen. Also die, die lieber bilateral kommunizieren und auch diejenigen, die die Gruppe nutzen – mit direktem Bezug auf das Thema. Ich glaube im Kern ist es uns wichtig, schnell zu kommunizieren. Durch Emojis und durch Likes, durch Verlinkung.
Olaf: Da Du den Generation-Gap schon ansprichst, fällt mir da noch ein anderer Aspekt auf. Den ganzen Tag werde ich mit Emojis, Links und Likes zugeballert. Wenn ich mich abends da durchwühle und antworte, ist die New Generation Offline, zieht die klare Linie zwischen Work und Life. Dann kann ich damit rechnen, dass ich erst drei Tage später eine Antwort bekomme.
Lisa: Work-Life-Balance ist in meiner Wahrnehmung nicht mehr das vorherrschende Thema meiner Generation. Sinnhaftigkeit ist wichtiger. Und die wollen wir in unserer Arbeitszeit erreichen. Deshalb setzen wir dort auf Tempo und viel Output, um am Ende des Tages sagen zu können: Ich habe etwas erreicht und entsprechend viel gegeben. Ich denke trotzdem nicht, dass das ein Generationen-Thema ist, sondern eine Präferenz im Arbeitsrhythmus. Ich hoffe, dass durch die aktuelle Zeit etwas passiert und dass die Abgrenzung von Arbeit und Freizeit noch strenger wird.
Olaf: Bedeutet das für uns Älteren, dass wir uns dem Diktat der Jüngeren beugen müssen?
Lisa: Nein, das muss niemand. Digital Natives sind nun mal allem Digitalem zugeneigt. Jede ältere Generation wurde in einem anderen Kontext sozialisiert, von dem die Jüngeren profitieren können. Das sind andere Kompetenzen: Zum Beispiel direktes Vernetzen, sich intensiv mit Themen auseinandersetzen, längere Texte ohne Rechtschreibfehler…
Jens: Hier kann man gut erkennen, wie wichtig die Kultur für eine gelingende Zusammenarbeit ist. Im Digitalen wächst die Kompetenz im Moment noch nicht mit dem Lebensalter. Befähigung ist das Zauberwort, mit klassischer Fortbildung, aber auch Tandem-Modellen, in denen junge und ältere Mitarbeitende voneinander lernen. Es gilt, das Beste aus beiden Bereichen zu verbinden, um gegenseitig Kompetenzen zu erweitern. Viele Prozesse und Strukturen, die es vor der kompletten Digitalisierung gab, haben selbstverständlich immer noch ihre Berechtigung. Die sollten dort, wo es sinnvoll ist, in den digitalen Kontext übertragen werden.
Olaf: Mir wäre es auch wichtig, dass es im Unternehmen einen Raum gibt, in dem ich meine Bedenken und auch Sorgen mal loswerden kann, ohne das Gefühl zu haben, mich selbst auf das Abstellgleis zu stellen.
Lisa: Ich fände es wichtig, dass wir vom Jammern ins Tun kommen. Also konkret schauen, wo Anpassungen nötig sind und die dann auch angehen. Und dass wir auch im digitalen Miteinander geschützte Räume schaffen können, in denen auch im digitalen Kontext Vertrauen geschaffen wird. Das wird insbesondere für neue Kolleg*innen wichtig sein, die niemandem in ihrem Team bisher persönlich kennenlernen konnten.
Olaf: Wenn Du das Jammern ansprichst: Ich gehe nicht damit konform, über jede jedwede Kritik und Unzufriedenheit hinwegzugehen und sie mit dem Mantel der Digitalisierung zu überdecken. Der Tenor ist doch: Alle Neue ist fantastisch und wenn es Dich überfordert, liegt es weder an den Tools noch an der Strategie, sondern an Dir und Deiner mangelnden Flexibilität. Das ist etwas, das gerade in den Unternehmen passiert. Wenn Du abgehängt bist, liegt es nicht an schlechter Implementierung, sondern an Dir.
Lisa: Den Punkt sehe ich auch. Als wir im letzten Jahr alle von jetzt auf gleich digital arbeiten mussten, sind wir davon ausgegangen, dass jeder dazu in der Lage ist. Wir dachten, dass jeder digitale Räume eröffnen kann und weiß, was eine Breakout-Session ist. Wenn wir wollen, dass digitale Tools zukünftig weiter sinnvoll genutzt werden, dann müssen wir die Menschen, in die Lage versetzen, diese auch zu bedienen, sich kompetent und sicher damit fühlen.
Jens: „Räume“ sind der dritte wichtige Faktor im Dreiklang des Digital Workplace. Das sind einerseits virtuelle Räume, in denen ich meine Fragen und Probleme sicher platzieren kann – und gehört werde. In diesem Raum finde ich auch Methoden und Unterstützung, wenn es um die richtige Kommunikation im Digitalen geht. Andererseits ist das auch der tatsächliche Arbeitsraum, in dem ich mich befinde. Wie muss der beschaffen sein, damit ich die Möglichkeiten des Digital Workplace vollumfänglich nutzen kann?
Olaf: Das wäre wünschenswert, nicht zuletzt, um die große Fehleranfälligkeit zu minimieren. Ständig frieren Gesprächspartner wie bewusstlos in Calls ein – was mir in einem analogen Termin tatsächlich noch nicht passiert ist – sind offline, finden den Link nicht etc. Kaum ein Meeting fängt pünktlich an, weil Teilnehmende technische Probleme haben. Und zusätzlich sind wir mittlerweile an einem Punkt, an dem wir in der alten Welt schon waren, nämlich dass man nur noch von Termin zu Termin hetzt. Eine substanzielle Auseinandersetzung mit den Themen findet kaum noch statt.
Lisa: Ich teile Deine Ansicht, aber am Ende ist es doch an jedem selbst, sich die Zeit zu nehmen und sich zu konzentrieren. Ich ertappe mich in Meetings mit mehreren Personen selbst dabei, dass ich zwischendurch Dinge erledige, kurze Antworten tippe. Das ist eine Frage der Selbstdisziplin, an der viele noch arbeiten müssen, und eine Frage der Wertschätzung.
Olaf: Durch die unzähligen Kanäle hast Du keine andere Wahl, als viele Dinge gleichzeitig zu tun. Und dann passiert genau das, was Du gerade skizziert hast: Man sitzt in Terminen, in denen die Hälfte der Teilnehmer*innen auf ihr Handy starren, sichtbar abgelenkt sind und die andere Hälfte die Kamera ausgeschaltet hat, um genau das im Verborgenen zu tun. Am Ende hat man wieder Output, den man allein nahezu gleich gut generiert hätte. Dann wird durch Kollaboration nichts besser. Nur die Themen werden mehr, die Zeit sie zu erledigen, bleibt gleich.
Lisa: Ja, ich denke, dass wir den Mehrwert von digitalen Meetings noch stärker herausarbeiten und kommunizieren müssen. Mit Kamera, mit Ton und Austausch, an dem sich jeder beteiligt. Der Mehrwert ist noch nicht so klar, weil wir die Möglichkeit haben, uns zu verstecken. Da brauchen wir mehr Wachsamkeit und einen offenen Blick bei allen.
Olaf: Es braucht vernünftige Spielregeln. Das ist für mich die Quintessenz. Es ist nicht alles nur toll und hip und einfach.
Lisa: Genau – und es gibt ja auch hilfreiche Tools, mit denen man die Zusammenarbeit regeln und Prozesse strukturieren kann, zum Beispiel Canvas Boards.
Olaf: Noch ein Tool???
Jens: Im Arbeitsalltag merken wir alle, wie viel (Zusammen-)Arbeit noch nötig ist, um im digitalen Team stressfrei, effektiv und kollegial zusammenzuarbeiten. Wir müssen gemeinsam hinschauen und lernen und Frontenbildung unbedingt vermeiden. Wir müssen für die Bedürfnisse der Anderen offen sein. Unterstützen, respektieren und wertschätzen. Der Dreiklang lautet: Kultur, Räume und Technik. Stimmen alle drei Faktoren, dann wird auch Ihr Digital Workplace ein echter Erfolg. Sprechen Sie uns an, wenn Sie diese oder ähnliche Herausforderungen in Ihrem Unternehmen kennen – und lösen wollen. Wir unterstützen Sie gern.